Berufsschäfer Tino Barth spricht Klartext: „Dieser Wolf muss aus der Natur entnommen werden!“

Zwar stehen abschließende DNA-Untersuchungen noch aus, aber alles deutet zur Zeit darauf hin, dass eine Wolfsfähe, die seit knapp einem Jahr den Norden der Diepholzer Moorniederung in Atem hält, die 100-Nutztiere-Marke geknackt hat. Das bedeutet, dass sich die vielen Gatterwild- und Schafsrisse dieses Wolfes seit November 2014 auf mehr als einhundert toter oder schwerverletzter Tiere summieren. Nun wiegen zwei Vorfälle besonders schwer: Am 29.09. und 02.10.2015 wurden die Wolfsberater Dr. Marcel Holy (Landkreis Diepholz) und Dr. Torsten Schumacher (Landkreis Vechta) zu Schafsrissen am Nördlichen Wietingsmoor und am Großen Moor bei Barnstorf gerufen. In beiden Fällen hatte ein Wolf eine als wolfssicher geltende Umzäunung (90cm hohe Stromnetze mit hoher Spannung) überwunden und 16 Schafe getötet oder schwer verletzt. Die Freistätter Schäferei verlor 2 Schafe, Schäfer Tino Barth büßte 14 Schafe ein.

Die letztgenannten Vorfälle sind auch deshalb besonders bedeutsam, weil die Beweidung der Moorflächen mit Schafherden das Rückgrat der Landschaftspflege in der Region darstellt. Die Schäfereien sind darauf angewiesen, ihre Herden nachts auf Grünland mit Elektronetzen sichern zu können.

Es gibt zur Zeit keinen Hinweis darauf, dass sich ein zweiter Wolf in der Region aufhält. Dennoch besteht eine nicht geringe Wahrscheinlichkeit, dass sich die Fähe jetzt im Winterhalbjahr verpaart. Dann könnte sie ihre besondere Spezialisierung auf Nutztiere als Beute und ihre besonderen Fähigkeiten im kommenden Sommer an ihre Welpen weitergeben.

Ein Wolf gilt auch aus Behördensicht als „Problemwolf“, wenn er mehrfach als wolfssicher geltende Umzäunungen überwindet und Nutztiere reißt. Das scheint hier der Fall zu sein. Auch insofern ist die von Schäfer Barth gegenüber dem NDR geäußerte Forderung allemal nachvollziehbar.

Sehen Sie den Bericht des NDR vom 02.10.2015 zum Vorfall bei Schäfer Tino Barth:

www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/oldenburg_ostfriesland/Hat-ein-Wolf-wieder-Schafe-gerissen,wolf2068.html

Dieses Foto der berüchtigten Wolfsfähe gelang Dr. Marcel Holy mit einer Wildkamera in der Markonah nordwestlich von Barnstorf am 10.08.2015.

Dieses Foto der berüchtigten Wolfsfähe gelang Dr. Marcel Holy mit einer Wildkamera in der Markonah nordwestlich von Barnstorf am 10.08.2015.

„Die Rückkehr des Wolfes löst an vielen Orten keine Freude mehr aus!“

Diese Erfahrung machte der gebürtige Twistringer Reinhold Beckmann, als er mit seinem Team herumreiste und durch Wölfe geschädigte Schaf- und Gatterwildhalter aufsuchte. Ein Schafhalter in Schleswig-Holstein z.B. verlor durch einen Wolf 30 Schafe an einem Tag. Doch es geht nicht nur um Schafe. Auch Pferde-, Mutterkuh- oder Geflügelhalter müssen sich mit der zunehmenden Zahl der Wölfe mehr Gedanken machen, wie sie ihre Tiere schützen können. Auch freilaufendes Geflügel kann zur Beute von Wölfen werden. Durch sächsische Jäger sah sich Reinhold Beckmanns Team mit der Frage konfrontiert: „Wieviele Wölfe braucht das Land?… Es hat niemand was gegen den Wolf, aber in welcher Stückzahl …?“

Für Reinhold Beckmann ist klar, dass sich die Gesellschaft diesen Mut zur Wildnis mehr kosten lassen muss und dass die Weidetierhalter mehr Unterstützung brauchen. Es stellt sich aber die Frage, ob einer ausreichender Schutz der Weidetiere zu gewährleisten ist und ob die Belastungen der Tierhalter zumutbar sind. Falls durch die Ausbreitung der Wölfe die Weidetierhaltung stark zurückgedrängt wird, könnte der Preis für die Ökologie der Kulturlandschaft sehr hoch werden.

Sehen Sie den Beitrag „Die Angst vor den Wölfen – wie viel Wildnis vertragen wir?“ vom 07.09.2015 in der ARD-Mediathek…

www.ardmediathek.de/tv/Beckmann/Die-Angst-vor-den-W%C3%B6lfen-wie-viel-Wild/Das-Erste/Video?documentId=30424702&bcastId=26607604_

Von einem Wolf gerissenes Schaf am Großen Moor bei Barnstorf (Diepholzer Moorniederung)

Von einem Wolf gerissenes Schaf am Großen Moor bei Barnstorf (Diepholzer Moorniederung).

Kulturlandschaft braucht Schafe

Die Hüteschafhaltung hat Landschaften geprägt und artenreiche Lebensräume hervorgebracht und erhalten. Seit Jahrzehnten steht sie von vielen Seiten unter Druck, die Zahl der Schäfer und ihrer Herden ist rückläufig. Es stellt sich auch die Frage, wie sich die zunehmende Wolfspopulation auf die zurückgehende Schafhaltung auswirken wird.

In Bayern wird der Rückgang besonders aufmerksam beobachtet. Eine landesweite Initiative will die Hüteschäferei wieder stärken. Dazu haben sich im Juni Landschaftspfleger, Schäfer, Bauern, Jäger und Naturschützer aus acht Verbänden unterstützt durch das Bayerische Umweltministerium in einer Allianz zusammengefunden. Die Bayrischen Landschaftspflegeverbände appellieren an Kommunen und Landkreise, den Schäfern Flächen für die Beweidung zur Verfügung zu stellen und somit eine kostengünstige Pflege sicherzustellen. Sehen Sie dazu einen Beitrag in der Mediathek des Bayrischen Rundfunks …

www.br.de/mediathek/video/sendungen/abendschau/kulturlandschaft-schafe-schaefer-100.html#&time=&time_=

Bei der Pflege des Wietingsmoores sind die Moorschnuckenherden nicht wegzudenken. Sie halten nicht nur das Hochmoor offen, sondern pflegen im Jahresverlauf auch viele Flächen der Moorrandbereiche. Hier wechselt die Herde der Freistätter Schäferei vom mittleren ins nördliche Wietingsmoor. Die Hüteschafhaltung braucht überall in Deutschland Unterstützung. Sonst wird kaum etwas davon übrig bleiben.

Bei der Pflege des Wietingsmoores sind die Moorschnuckenherden nicht wegzudenken. Sie halten nicht nur das Hochmoor offen, sondern pflegen im Jahresverlauf auch viele Flächen der Moorrandbereiche. Hier wechselt die Herde der Freistätter Schäferei vom mittleren ins nördliche Wietingsmoor. Die Hüteschafhaltung braucht überall in Deutschland Unterstützung. Sonst wird kaum etwas davon übrig bleiben.

Hüteschafhaltung: Landschaftspflege mit zunehmenden bürokratischen Hürden

U.a. dem Bestand des Großen Brachvogels half Schäfermeister Jörg Bauer von der Freistätter Schäferei mit seiner Moorschnuckenherde im nördlichen Wietingsmoor auf die Sprünge.

U.a. dem Bestand des Großen Brachvogels half Schäfermeister Jörg Bauer von der Freistätter Schäferei mit seiner Moorschnuckenherde im nördlichen Wietingsmoor auf die Sprünge.

Schäfer leisten mit ihren Herden in einigen Mooren einen entscheidenden Beitrag zur Entwicklung der Landschaft als Erholungsgebiet für Menschen und als Lebensraum für seltene Tier- und Pflanzenarten. Daher verwundert es, dass diese Arbeit scheinbar mit ausufernder Bürokratie und verringerter Förderung erschwert wird.

Das jedenfalls beklagen oder befürchten viele Schäfer und Schafzuchtverbände. Seit Inkrafttreten der neuen Viehverkehrsordnung zum 1. Januar sind sie verpflichtet, ein Bestandsregister zu führen und die Tiere individuell zu kennzeichnen. Das ist besonders bei großen Herden mit erheblichem Arbeitsaufwand verbunden. Demnächst kommen zusätzliche Kosten für elektronische Ohrmarken und elektronische Lesegeräte auf die Schafhalter zu. Außerdem werden z.B. rigide Vorschriften für die Lagerung von Medikamenten oder einige Regelungen der Düngerverordnung bemängelt.

Die Schafhaltung scheint nicht sehr lohnend zu sein, denn die Bestandszahlen sind europaweit rückläufig, woran eigentlich kaum jemand ein Interesse haben dürfte. Bei der Vergabe der EU-Agrarsubventionen scheinen die Schafhalter nicht gerade in der ersten Bank zu sitzen und es bleibt zu hoffen, dass die Hüteschafhaltung wirtschaftlich bleibt, wenn die Bezuschussung ab 2010 nicht mehr aufgrund der Tierzahlen sondern aufgrund der Betriebsfläche berechnet wird.