Die Kreise Kleve, Wesel, Borken und Recklinghausen zählen zum bedeutensten Besiedlungsgebiet des Steinkauzes in Mitteleuropa, stellte Volker Steck vom Nabu Xanten fest. Hier, wie übrigens auch in der Diepholzer Moorniederung, ist der Steinkauz bei der Wahl seiner Lebensräume von Weidetieren abhängig, vielfach von Schafhaltungen. Für diese Weidetierhaltungen muss allerdings angesichts der aufkommenden Wolfspopulation mit einem weitgehenden Zusammenbruch gerechnet werden, mit negativen Folgen für die noch gute Brutpopulation des Steinkauzes. Denn viele Tierhalter sehen sich mit den Ansprüchen eines effektiven Herdenschutzes überfordert und geben die Haltung auf.
Wie geht es weiter mit dem Steinkauz in NRW und in Niedersachsen oder regional betrachtet in der Diepholzer Moorniederung? Diese Frage kann man sich auch vor dem Hintergrund stellen, dass die Übergriffe des Wolfsrudels die Schafhaltung im Raum Barnstorf – auch eine Gemeinde mit einem kleinen Steinkauzvorkommen – nahezu zum vollständigen Erliegen gebracht hat.
Die Bestandsentwicklung in Niedersachsen ist seit langem rückläufig, zwischen 1976 und 2008 nahm die Art um etwa 38% ab, weiß der Atlas der Brutvögel in Niedersachsen und Bremen 2005 – 2008 zu berichten. Wird der Steinkauz als Brutvogel hier angesichts der von der Politik gewünschten, flächendeckend vorkommenden Wolfsrudel erhalten bleiben?
Was bleibt von der Weidetierhaltung in der Diepholzer Moorniederung übrig? Das kann man sich fragen, wenn man die aktuelle Statistik gerissener Nutztiere betrachtet: 28 Schafe, Kälber, Ziegen und Mufflons wurden in den letzten vier Wochen rund um Barnstorf (Landkreis Diepholz) gerissen. Da geht selbst dem Lemförder Wolfsberater Dr. Marcel Holy, Spitzenreiter bei der Dokumentation von Wolfsrissen in Niedersachsen, langsam die Puste aus. Daher musste Dr. Torsten Schumacher aus dem Landkreis Vechta schon mal aushelfen.
Zwölf Rissereignisse in 4 Wochen bedeuten, dass das Barnstorfer achtköpfige Wolfsrudel in fast jeder zweiten Nacht zuschlägt! Dabei bleibt es allerdings nicht bei den Nächten. In Drebber wurden am 13.09. ein Schaf zwischen 7.30 und 10.00 Uhr tagsüber gerissen. Hier hatte der Schafhalter durch nächtliche Stallhaltung vergeblich versucht, seine Tiere vor den Wölfen zu schützen. Zudem machen die Wölfe vor Wohngebieten nicht halt. Am 27.08. wurde eine Ziege inmitten eines Wohngebietes der Ortschaft Drebber gerissen.
Und wer bislang dachte, er könne seine Tiere durch eine beträchtliche Zaunhöhe schützen, wurde durch den Riss von drei Mufflons am 12.09. im Landkreis Vechta seiner Illusionen beraubt: Hier gelangte der Wolf durch das Überspringen eines zwei Meter hohen Stabmattenzaunes zu seiner Beute. Sehen Sie dazu den Bericht des NDR …
Die Weidetierhalter sind aufgrund der stark zunehmenden Wolfspopulation alarmiert. Nicht nur Schafe, auch Jungrinder, Pferde und andere Haustiere werden zur Beute von Wölfen.
Jan Teerling, Schäfer am Neustädter Moor, wies jüngst darauf hin, dass Wölfe für seltene Schafrassen wie die Moorschnucke zur Gefahr werden können.
Zwar konnte der Bestand von nur noch 250 Tieren 1974 auf heute mehrere tausend Tiere gesteigert werden. Dennoch kann ein erheblicher Teil der wertvollen Genetik verloren gehen, wenn Wölfe z.B. über eine Zuchtbockgruppe herfallen.
Der Förderverein der deutschen Schafhaltung hat ein sehenswertes Video in Auftrag gegeben, der allen an der Problematik „Wölfe in Weidegebieten“ Interessierten sehr zu empfehlen ist.
Eine der wichtigen Inhalte des Videobeitrages ist ein Aufruf von Dipl. Ing. Agr. Gerd Dumke, stellvertr. Vorsitzender des Vereins, an die Bevölkerung.
Sie solle sich entscheiden, ob sie lieber den Schafen bei der Arbeit zusehen möchten, oder den Wölfen. „Ein friedliches Nebeneinander von weidenden Schafen und Wölfen wird es nicht geben“, so Gerd Dumke.
Sehen Sie Auszüge der 120-Minuten-DVD auf Youtube …
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Das war der Titel des Polit-Talkmagazins „Hart aber fair“ des WDR, ausgestrahlt am 23.01.2017 im Haupt-TV-Programm der ARD. Moderator Frank Plasberg diskutierte mit verschiedenen Gästen u.a. am Beispiel der Ausbreitung des Wolfes in Deutschland darüber, ob Regelungen zum Schutz der Natur hierzulande vielfach überzogen werden.
Bundesumweltministerin Barbara Hendricks sprach sich bei Frank Plasberg für eine Entnahme von Problemwölfen aus. Bei aktuell etwa 500 Wölfen in Deutschland und einer Zunahme von etwa 30% pro Jahr kann sich die Diskussion allerdings nicht mit der Entnahme einzelner Problemwölfe erschöpfen. Dafür verläuft die Vermehrung des Wolfes zu rasant ab und es haben sich zu viele Herdenschutzmaßnahmen als unwirksam erwiesen, seien es erhöhte Elektronetze, Flatterbänder, Herdenschutzhunde u.v.m.. Ganz zu schweigen von den Belastungen für Rinder- und Pferdehalter, die in zunehmenden Maße mit Übergriffen durch Wölfe zu rechnen haben, ohne ihre Tiere wirksam schützen zu können.
Für den Zoologen Prof. Dr. Michael Stubbe, führender Wolfsexperte bereits in der ehemaligen DDR, hat der Wolf eine existenzielle Bedeutung für die Halter von Weidetieren. Wenn es also nicht gelingt, die Wölfe von den Weidetieren fernzuhalten, ist mit dem Verschwinden der Betriebe und den Weidetieren zu rechnen.
Im Film „Weidetierhaltung – geliebt, gewollt, geopfert?“ von Peter Schanz erinnert Prof. Dr. Stubbe auch daran, dass der Wolf bei der Ausbreitung von Krankheiten wie der Tollwut, der Echinokokkose (des Hundebandwurms) und aufgrund seiner Mobilität auch bei der Afrikanischen Schweinepest eine bedeutende Rolle spielen kann.
Aus diesen Gründen plädiert er dafür, den Wolf schon jetzt im Bestand zu begrenzen, da sonst eine Situation entstehen könne, die unbeherrschbar für die Weidewirtschaft werden könnte. Um den Schutz zu lockern, sollte der Wolf vom Anhang IV in den Anhang V der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie überführt werden. Der Anhang V listet Arten auf, deren Entnahme aus der Natur und Nutzung Gegenstand von Verwaltungsmaßnahmen sein können.
Prof. Dr. Stubbe schlägt vor, in den Bundesländern mit aktuell nachgewiesenen Wolfsrudeln Vollschongebiete für Wölfe einzurichten. In diesen Gebieten sollten die Wölfe weiterhin ganzjährig geschützt sein, d.h. hier sollte jegliche Bejagung tabu bleiben. Außerhalb dieser Vollschongebiete sollte eine Schusszeit vom 1. Oktober bis zum 31. Januar eingerichtet und die Jagdgesetze aufgenommen werden. Der Wolf bliebe dann auch außerhalb der Schongebiete in zwei Dritteln des Jahres von der Bejagung ausgenommen.
Sehen Sie den Beitrag „Wölfe zum Abschuss freigeben?“ von Julia Cruschwitz und Christine Schönfeld in der Sendung „Exact“ des MDR auf Youtube …
Das stellte der Rotenburger Landvolkvorsitzende Jörn Ehlers im Rahmen einer Anhörung im Agrarausschuss des niedersächsischen Landtages am 10.02.2016 in Hannover klar. Politiker, die mit dem Motto „Willkommen Wolf“ den Beutegreifer hierzulande wieder heimisch machen wollten, dürften die Ängste und Sorgen der betroffenen Menschen nicht übersehen. Schäden durch den Wolf, der nicht durch natürliche Feinde bedroht werde, seien den Landwirten nicht zuzumuten und eine Forderung, die Weidetiere durch einen absoluten Schutz abzusichern, sei inakzeptabel, so Jörn Ehlers.
Der Deutsche Bauernverband vertritt die Auffassung, dass die Rückkehr des Wolfes die Weidetierhaltung grundsätzlich in Frage stellen kann. Das wurde anlässlich des öffentlichen Fachgesprächs „Herdenschutz“ des Bundestagsausschusses für Ernährung und Landwirtschaft am 25.11.2015 deutlich. Eine Reduzierung des Themas „Koexistenz von Weidetierhaltung und Wolf“ auf Fragen des Herdenschutzes werde dem Ernst der Lage nicht gerecht.
„Mittel- und langfristige Auswirkungen der wachsenden Wolfspopulation auf die Möglichkeit, Nutztiere noch auf der Weide halten zu können, würden derzeit überhaupt nicht diskutiert“, so der Deutsche Bauernverband. „Doch die Populationsgrößen, die für die Erhaltung der Wolfbestände als notwendig betrachtet würden, stellten eine erhebliche Zahl an Weidetierhaltern vor die Existenzfrage. Sie würden zu einem deutlichen Rückgang der Weidetierhaltung von Schafen, Ziegen, Pferden und Kühen in Deutschland führen müssen.“ (Quellen: Pressemitteilungen des Niedersächsischen Landvolkes und des Deutschen Bauernverbandes)
Wolfsberater der Landkreise Diepholz, Vechta und Oldenburg und vom Wolfscenter Dörverden haben inzwischen Zahlen der „Barnstorfer Wolfsfähe“ vorgelegt, die auch im nördlichen Wietingsmoor bei der Freistätter Moorschnuckenherde zu Schaden gegangen ist. Durch diese Wölfin wurden vom 02.11.2014 bis zum 31.01.2016 152 Nutztiere gerissen oder verletzt. 62% der Angriffe erfolgten in unmittelbarer Nähe von Wohnhäuser (50m-Radius), so z.B. auch am 06.02.2016 in Eydelstedt am nördlichen Wietingsmoor, als sogar die Hofkamera die Verfolgungsjagd der Schafe durch einen Wolf aufnehmen konnte. Sehen Sie hierzu den Bericht der Kreiszeitung…
Weidetierhaltung, dazu gehört auch die Mutterkuhhaltung oder die Haltung von Stuten mit Fohlen, wird durch eine sich ausbreitende Wolfspopulation erheblich erschwert. (Quelle: Pixabay)
Diese Erfahrung machte der gebürtige Twistringer Reinhold Beckmann, als er mit seinem Team herumreiste und durch Wölfe geschädigte Schaf- und Gatterwildhalter aufsuchte. Ein Schafhalter in Schleswig-Holstein z.B. verlor durch einen Wolf 30 Schafe an einem Tag. Doch es geht nicht nur um Schafe. Auch Pferde-, Mutterkuh- oder Geflügelhalter müssen sich mit der zunehmenden Zahl der Wölfe mehr Gedanken machen, wie sie ihre Tiere schützen können. Auch freilaufendes Geflügel kann zur Beute von Wölfen werden. Durch sächsische Jäger sah sich Reinhold Beckmanns Team mit der Frage konfrontiert: „Wieviele Wölfe braucht das Land?… Es hat niemand was gegen den Wolf, aber in welcher Stückzahl …?“
Für Reinhold Beckmann ist klar, dass sich die Gesellschaft diesen Mut zur Wildnis mehr kosten lassen muss und dass die Weidetierhalter mehr Unterstützung brauchen. Es stellt sich aber die Frage, ob einer ausreichender Schutz der Weidetiere zu gewährleisten ist und ob die Belastungen der Tierhalter zumutbar sind. Falls durch die Ausbreitung der Wölfe die Weidetierhaltung stark zurückgedrängt wird, könnte der Preis für die Ökologie der Kulturlandschaft sehr hoch werden.
Sehen Sie den Beitrag „Die Angst vor den Wölfen – wie viel Wildnis vertragen wir?“ vom 07.09.2015 in der ARD-Mediathek…