Wiesenweihe: Kaum Jungvögel ohne Nestschutz

Die Vorliebe für Wintergerstenfelder als Nistplatz kann für die Wiesenweihe zu einer tragischen Falle werden. Das bestätigte sich in diesem Jahr einmal mehr. Seit 2002 konnten Friedhelm Niemeyer vom BUND und Mitarbeiter nicht so einen hohen Anteil an Wintergerste-Bruten gegenüber Roggen, Weizen und Triticale dokumentieren. Das hatte zur Folge, dass von den 34 flüggen Jungvögeln, die die 28 Wiesenweihen-Brutpaare in der Diepholzer Moorniederung und angrenzendem Gebiet aufgezogen haben, 32 ohne den durchgeführten Nestschutz in Kooperation mit den Landwirten verlorengegangen wären. Sie waren bei der frühen Gerstenernte noch nicht flügge und wären in den Mähdrescher geraten. Somit hätte sich die Art in diesem Gebiet kaum fortgepflanzt.

Etwa 180 Paare der seltenen Wiesenweihe brüten in Deutschland, 70 davon in Niedersachsen. Das größte weltweite Brutvorkommen dieser grazilen Greifvögel liegt in Russland.

Stabmatten
Die guten Erfahrungen in anderen Gebieten aufgreifend wurden vom BUND in diesem Jahr erstmals Stabmatten zum Schutz einiger Bruten als Ergänzung zu den stromführenden Elektronetzen eingesetzt.
Fuchs am Brutfeld
Ein Fuchs verlässt ein diesjähriges Brutfeld der Wiesenweihe. Gott sei dank hatte der BUND den Nestbereich bereits eingezäunt. Unter Naturschützern ist es kaum eine Frage, dass der Fuchs bejagt werden muss. Die Ökologische Schutzstation Steinhuder Meer z.B. stellt Eigenjagdbesitzern Fuchsfallen zur Verfügung.
Forderungen von einzelnen Tierschützern nach einem Vollschutz des Fuchses mögen hier und da populär sein und gerne wiederholt werden. Bei Naturschützern finden sie jedoch kaum Verständnis.

BUND: Erneut gute Zusammenarbeit mit den Landwirten beim Schutz der Wiesenweihe

Das Wiesenweihen-Schutzprojekt des BUND in der „Diepholzer Moorniederung und nördlich angrenzendes Gebiet“ erfreute sich wie in den Vorjahren der sehr guten Kooperationsbereitschaft der betroffenen Landwirte. Sie gestatteten den Mitarbeitern wieder den Nestschutz der am Boden in Getreidefeldern brütenden, seltenen Vögel durchzuführen. Dadurch wurden wieder Jungvögel vor dem Tod durch Fressfeinde wie Fuchs oder Marder oder den Mähtod durch Erntemaschinen gerettet.

Warum allerdings die Anzahl der brütenden Wiesenweihenpaare um 33% ggb. dem Vorjahr zurückging, wie Friedhelm Niemeyer vom BUND zu berichten wusste, bleibt zur Zeit noch ein Rätsel. Dabei war der Brutbestand am Wietingsmoor mit einem Rückgang von 19% (13 Brutpaare gegenüber 16 Brutpaaren im Jahr 2015) noch vergleichsweise stabil.

War die Verringerung bei der Anzahl der Brutpaare schon erheblich, so fiel der Rückgang der flüggen Jungvögel noch krasser aus: 19 flügge Jungvögel gegenüber 53 im Vorjahr bedeuten ein Rückgang um sage und schreibe 64%.

Da sich in der Landschaft nicht viel verändert hat, kann eigentlich nur Nahrungsmangel als Ursache für diesen Rückgang angenommen werden. Wahrscheinlich sind nicht alle fortpflanzungsfähigen Weibchen in Brutstimmung gekommen. Die Verfügbarkeit der Feldmaus als Hauptnahrungsquelle zu Beginn der Fortpflanzungsperiode Ende April und Anfang Mai war vermutlich wesentlich schlechter als in anderen Jahren.

Mancher mag sagen, „so ist das eben mit der Biologie!“ und im kommenden Jahr kann es dann mit der Wiesenweihe in der Diepholzer Moorniederung nur noch in eine Richtung gehen: nach oben! Am guten Willen der Landwirte wird es wohl nicht scheitern!

Foto 1: Mitarbeiter des BUND beim Einzäunen eines Wiesenweihen-Nestbereiches.

Foto 2: Auch nach dem Flüggewerden der Jungen bieten die stromführenden E-Netze oft noch mehrere Tage einen sehr guten Schutz gegen Raubsäuger. Dennoch können noch Verluste durch andere Greifvögel wie Habicht oder Mäusebussard auftreten. So wurden in diesem Jahr noch einige Jungvögel trotz E-Netz-Schutz des Nestbereiches prädiert.

Foto 3: Etwa zwei Wochen nach dem Schlupf der Jungvögel beteiligt sich das Weibchen intensiv an der Jagd nach Mäusen und Kleinvögeln, um die Jungen zu füttern.

Brutpflege der Wiesenweihe: Im Notfall schafft es auch das Männchen im Alleingang

Mit 33 Bruten (16 am Wietingsmoor) gegenüber 29 im Vorjahr zählte der BUND wieder eine hohe Anzahl an Brutpaaren in der Diepholzer Moorniederung. Allerdings waren die Verluste recht hoch und so blieb die Anzahl der flüggen Jungvögel etwas hinter dem Erhofften zurück. Dennoch gelang es wieder, eine ganze Reihe von Jungvögeln durch Nestschutzmaßnahmen vor dem Mähtod zu retten.

Eine Besonderheit konnten Friedhelm Niemeyer und Helfer bei einer waldnahen Brut am Wietingsmoor dokumentieren. Hier wurde das Weibchen zur Mitte der Nestlingszeit vermutlich durch einen Habicht geschlagen. Es stellte sich die Frage, was wird nun aus den Jungvögeln, müssen sie adoptiert werden? Im Normalfall jagt das Männchen, trägt die Beute zum Brutfeld und übergibt sie hier an das Weibchen im Flug. Das Weibchen trägt die Beute zum Nest und zerkleinert sie hier „schnabelgerecht“ für die Jungen. Mit dem Heranwachsen der Jungen beteiligt sich auch das Weibchen an der Jagd. Das Männchen fliegt dabei kaum zum Nest.

Bei dieser Brut gelang es dem Männchen überraschenderweise, wenigstens zwei der drei Jungvögel durchzubringen, indem es die erbeuteten Mäuse ins Nest warf.

Wiesenweihenmännchen nach Beuteabwurf am Nest. Auf „Vaddern“ ist eben doch Verlass ... Foto: Karin Mitri

Wiesenweihenmännchen nach Beuteabwurf am Nest. Auf „Vaddern“ ist eben doch Verlass … Foto: Karin Mitri.

Die Halbwaisen beim Ausfliegen aus dem mit E-Netz geschützten Nestbereich in einem Gerstefeld. Foto: Karin Mitri

Die Halbwaisen beim Ausfliegen aus dem mit E-Netz geschützten Nestbereich in einem Gerstefeld. Foto: Karin Mitri.

Wiesenweihe: Nahrungssuche in 12 Kilometern Entfernung vom Neststandort

15 Wiesenweihen-Brutpaare zählte Friedhelm Niemeyer vom BUND in diesem Jahr am Wietingsmoor. Die Beobachtungen legten einen Brutversuch von 2-3 weiteren Paaren nahe. Durch Nestschutzmaßnahmen konnten wieder mehrere Jungvögel vor dem Mähtod gerettet werden.

Bei der Brutplatzwahl setzte sich der Trend fort, vermehrt Roggenfelder anzunehmen. Wintergerste war lange die Präferenz der Wiesenweihe in der Region, wird aber immer weniger angebaut.

Interessant war auch, dass ein Männchen mit Brutplatz am nördlichen Wietingsmoor bei der Nahrungssuche im Großen Moor bei Barnstorf festgestellt werden konnte. Somit jagte es in 12 Kilometern Entfernung vom Neststandort. Möglich wurde dieser Nachweis durch das Ablesen von Flügelmarken.

Dieses flügelmarkierte Wiesenweihenmännchen mit Brutplatz am nördlichen Wietingsmoor wurde bei der Nahrungssuche 12 Kilometer entfernt im Großen Moor bei Barnstorf beobachtet.

Dieses flügelmarkierte Wiesenweihenmännchen mit Brutplatz am nördlichen Wietingsmoor wurde bei der Nahrungssuche 12 Kilometer entfernt im Großen Moor bei Barnstorf beobachtet.

Wiesenweihe

Erfolgreiche Brutsaison 2007 in der Diepholzer Moorniederung

Mit 43 bis 45 flüggen Jungvögeln und 25 Brutpaaren wurde das gute Brutergebnis aus dem Jahr 2005 in der Diepholzer Moorniederung (39 flügge Jungvögel aus 21 Brutpaaren) in diesem Jahr deutlich verbessert. Das teilte der BUND mit, dem genaue Zahlen durch die organisierten Bemühungen zum Schutz der Gelege und Jungvögel vorliegen. Wiesenweihenbruten werden in Getreidefeldern vor unbeabsichtigtem Ausmähen oder vor Raubtieren geschützt.

Das intensive Engagement zum Nestschutz verdanken die Wiesenweihen nicht zuletzt der Seltenheit ihres Vorkommens. Sie gelten deutschlandweit als vom Aussterben bedroht (nur etwa 400 Brutpaare) und in ganz Mitteleuropa als im Fortbestand stark gefährdet.

Fotogalerie

Die Fotostrecke zeigt die Brutsaison mit dem Auffinden der Horste und dem Markieren von 40x40m großen Nestbereichen in den Getreidefeldern am Moorrand, die kooperative Landwirte zum Schutz der Brut dann zunächst stehen lassen und erst später mähen. Außerdem wird das Organisieren vor Ort per Mobiltelefon, das Beringen der Jungvögel für wissenschaftliche Studien, ein ausgeflogenener Jungvogel (am Brutfeld der Familie Nienstermann, Twistringen) sowie verschiedene Altvögel in Nestnähe gezeigt.

Fotos: Beringung der Nestlinge und flügge Wiesenweihe: Karin Mitri, Ehrenburg; alle übrigen Fotos K. Gödecke.