„Was aber, wenn der Wolf gar kein Wolf ist, wenn er ein Hund oder ein Mischling ist?“ Diese Frage stellt Bernhard Knapstein von der Böhme-Zeitung in seinem Beitrag „Zoff um die Wolf-Hund-Mischlinge“. Fachleute stellen aktuell immer wieder morphologische Abweichungen bei den deutschen Wölfen zum echten Canis lupus lupus fest. Genetiker diskutieren den Sachverhalt kontrovers, wie Bernhard Knapstein berichtet.
Wölfe
Zur Gefährlichkeit des Wolfes für den Menschen
Auch in jüngster Zeit wurden in der Diepholzer Moorniederung und anderen Teilen Niedersachsens immer wieder Nutztiere durch Wölfe gerissen. Für viele besorgte Bürger stellt sich die Frage, wie sieht es eigentlich mit der Gefährlichkeit des Wolfes für den Menschen aus?
Dort, wo Wölfe auch in den letzten 170 Jahren regelmäßig vorkamen, wurden Wolfsvorkommen auch hinsichtlich dieser Frage untersucht. Übergriffe auf Menschen oder Gefährdungssituationen wurden teilweise dokumentiert und in Beziehung z.B. zur Größe der Wolfspopulation und anderen Bedingungen wie der Beuteverfügbarkeit gesetzt.
Der deutsch-kanadische Wildbiologe Prof. Dr. Valerius Geist, Universität Calgary, nennt aufgrund seiner Erfahrungen in Kanada bestimmte Bedingungen, unter denen Wölfe gefährlich oder ungefährlich sind: „Wölfe sind nicht gefährlich, wenn sie satt sind aufgrund erfolgreicher Beutejagd auf reichlich vorhandenes Wild, wo sie entweder wenig Kontakt mit Menschen haben oder wo sie gejagt werden“, so Prof. Dr. Geist. Auch trügen ausreichend große Lebensräume ohne verfügbares Nutzvieh zur Ungefährlichkeit der Wölfe bei.
Gefährlich werde es für den Menschen, wenn für die Wölfe eine Nahrungsknappheit durch Beutetiermangel oder auch aufgrund des Alters, einer Verletzung oder Krankheit auftrete. Eine ständiger Kontakt mit Menschen z.B. auf einem Campingplatz oder einer Müllhalde könne die Situation sehr fördern, dann könnten auch „satte“ Wölfe gefährlich werden. Wölfe begännen dann, Menschen als alternative Beute zu erkunden.
Prof. Dr. Geist beschreibt sieben Phasen, die zu einer Attacke von Wölfen auf Menschen führten. Dazu gehöre zunächst das Annähern an menschliche Siedlungen infolge von Nahrungsmangel, zunächst nachts, später auch tagsüber; dann das Attackieren aller Arten des Viehs, insbesondere auch der Hunde, schließlich auch des Großviehs. Gerissenes Vieh werde u.U. durch Knurren gegen Landwirte oder Tierhalter verteidigt. Bei sich weiter entfaltender Dreistigkeit gingen die Wölfe dann dazu über, die Nähe zu den Menschen zu suchen und ihn so zu erkunden. Eventuell käme es zunächst zu spielerischen Übergriffen, bevor ein gefährlicher Angriff erfolge. Dieser sei dann aber im Grunde vorhersehbar und sehr wahrscheinlich.
Prof. Dimitij Iwanowitsch Bibikow (verstorben), international bekannter Säugetierexperte und Wolf-Spezialist von der Akademie der Wissenschaften zu Moskau, war Kenner der u.a. auch der russischen Wölfe. Er stellte heraus, dass die Gefahr für einen Menschen, von einem Wolf angegriffen zu werden, gering ist und außergewöhnliche Umstände voraussetze. Zu rechnen sei damit in Zeiten, wenn die Nahrung knapp und der Bestand hoch sei und gleichzeitig die Bekämpfungsmaßnahmen nachließen. Letzteres sei wichtig, denn bei einzelnen Tieren verliere sich allmählich die Furcht vor den Menschen, die die aggressiven Anlagen hemme. „Aber die Gefahr muss man immer im Auge haben und bei der Strategie einer Lenkung der Wolfspopulationen berücksichtigen, und man darf mit der Bestandskontrolle nicht nachlassen“, so Prof. Bibikow.
Der bekannte Zoologe und Ethnologe Dr. Erik Zimen (verstorben 2003) forschte nach 1970 u.a. an den italienischen Wölfen der Abruzzen. Er war davon überzeugt, dass die meisten Berichte von Wolfsübergriffen auf Menschen keiner kritischen Überprüfung standhalten. Das war auch seine Erfahrung in Italien. Klar war für ihn aber auch, dass bei aller Neigung zur Übertreibung und Phantasie die einschlägigen Meldungen aus den Jahrhunderten zu zahlreich, die Furcht vor dem Tier zu groß und die Stellung in der Mythologie vergangener Zeiten zu dominant war, als das man alle Berichte von Wolfsangriffen auf Menschen in den Bereich Fabel und Legende verweisen könnte. Als Bedingungen, unter denen man sich Wolfsangriffe auf Menschen vorstellen kann, nannte er Kriege, Seuchen und Hungersnöte ohne geregelte Leichenversorgung, eingeschränkte Bejagung und Beutetiermangel.
Fazit: Von einer generellen Ungefährlichkeit der Wölfe für den Menschen, wie sie nicht selten in der Öffentlichkeit dargestellt wird, kann aus der Sicht der Forschung keine Rede sein. Es ist damit zu rechnen, dass Wölfe hier und da illegal (wenn vielleicht auch ungewollt) angefüttert werden und somit eine Gewöhnung an die Nähe zum Menschen eintreten wird. Das führt nicht nur zu Verlusten beim Vieh, sondern kann auch für Menschen gefährlich werden. Politik und Verwaltung sind noch weit davon entfernt, an eine geregelte Bejagung zu denken, das zeigt die öffentliche Diskussion. Vor diesem Hintergrund kann man nicht ganz unbesorgt sein.
Literatur:
1. Geist, Valerius: „Wann werden Wölfe gefährlich für die Menschen?“ Beitrag auf der Homepage „Wolf Education International“ aus dem Jahr 2007
2. Bibikow, Dimitrij I.: Der Wolf, Ziemsen 1990
3. Zimen, Erik: Der Wolf – Verhalten, Ökologie und Myhos, München 1990
Aus Sicht der Forschung kann die fehlende Bejagung neben anderen Faktoren dazu beitragen, dass Wölfe zur Gefahr für den Menschen werden können.
Der Wolf stellt Weideviehhalter und Jäger vor Herausforderungen
„Wir sind überzeugt, dass es langfristig möglich ist, Wölfe hier in Niedersachsen zu haben“, so zitiert die Hannoversche Allgemeine Zeitung den Präsidenten der Landesjägerschaft Niedersachsen e.V., Helmut Dammann-Tamke. Allerdings müsse man sich fragen, ob dem Vormarsch der Wölfe in Zukunft Grenzen gesetzt werden müssten. Zur Zeit leben etwa 50 Europäische Grauwölfe in Niedersachsen.
Gesetzlicher Schutz durch die Berner Konvention (1979) und die Flora-Fauna-Habiat-Richtlinie (1992) und ein Umdenken in der Bevölkerung machten es möglich, dass Wölfe nach 1996 zunächst nach Ostdeutschland und dann auch nach Niedersachsen einwanderten. Am Großen Moor bei Barnstorf (Diepholzer Moorniederung) gelang der erste Nachweis eines Wolfes nach langer Zeit im April 2014. Nun gilt es für die Schafhalter im Raum Barnstorf/Vechta und auch darüber hinaus, sich auf die Anwesenheit des Wolfes einzustellen, d.h. Zaunanlagen zu verbessern und ggfs. Tiere nachts in den Stall zu holen. Herdenschutzhunde dürften für die Hüteschafhalter im Wietingsmoor, Rehdener Geestmoor, Renzeler Moor, Oppenweher Moor und am Dümmer ein Thema sein.
In den vergangenen drei Wochen sind an verschiedenen Orten um Barnstorf mehr als zwanzig Schafe gerissen oder verletzt worden, ein oder zwei Wölfe werden als Verursacher vermutet. Das löste verständlicherweise blankes Entsetzen bei den betroffenen Tierhaltern aus. Der Wolf verunsichert die Viehhalter in einer Zeit, die mit der Einhaltung der EU-Bürokratie ohnehin schon viele Belastungen mit sich gebracht hat und in der die Weideviehhaltung nur in geringem Maße rentabel ist.
Nicht ganz unerheblich rumort es auch in der Jägerschaft. Wölfe ernähren sich vorwiegend von den vorkommenden Schalenwildarten und wo sie Beute gemacht haben, gibt es für Jäger natürlich Einbußen bei der Strecke. Das mag in guten Hochwildrevieren noch einigermaßen leicht zu verschmerzen sein. In den traditionellen Niederwildrevieren der Landkreise Diepholz und Vechta wiegt der Verlust vieler Rehe durch den Wolf aber schwer, weil es nur wenig Ersatz gibt, denn die Niederwildbesätze sind in den zurückliegenden Jahren deutlich gesunken. Vielleicht kann die Aussicht, den Wolf beim Ansitz beobachten und in einigen Jahren bejagen zu können, als kleines Trostpflaster dienen.
Wurden die Wölfe angesiedelt?
Immer wieder wird die Vermutung geäußert, die Wölfe in Deutschland seien nach Gefangenschaftszucht oder Wildfang von Menschen wiederangesiedelt worden. Auch ohne gesetzliche Grundlage könnte es doch sein, dass einige Tiere illegal ausgewildert worden sind. Dann müssten aber solche „Kofferraumwölfe“ irgendwo aufzufinden und zu identifizieren sein. Das allerdings kann Frau Dr. Britta Habbe, Wolfsbeauftragte des Landes Niedersachsen und verantwortlich für das der Landesjägerschaft Niedersachsen vom Niedersächsischen Umweltministerium übertragene Wolfsmonitoring, überhaupt nicht bestätigen. Sie stellt unmissverständlich klar: Mit Ausnahme eines Anfang September 2011 im „Zoo in der Wingst“ (Nähe Cuxhaven) ausgebüxten jungen Wolfes können alle bislang identifizierten Wölfe in Niedersachsen genetisch auf das zwischen 1996 und 1998 von Polen in die Lausitz (Sachsen) eingewanderte Wolfspaar zurückgeführt werden. Aufgrund von Speichelproben bei Wolfsrissen, Losungsfunden und Totfunden (meist Verkehrsunfälle) dauert es meistens nicht sehr lange, bis die DNA eines Wolfes in Deutschland analysiert werden kann und somit die Herkunft bekannt ist.
Das Comeback des Wolfes in Niedersachsen wird natürlich kontrovers diskutiert. Josy Wübben hat im Beitrag „Wie können wir mit dem Wolf leben?“ von „Hallo Niedersachsen“ (NDR) eine Diskussion geleitet, die einen idealen Überblick über den Stand der Diskussion bietet. Ihre Diskussionspartner waren Matthias Vogelsang (Wisentgehege Springe), Ulrich Merz (IG Weidetierhalter Nord-Ost-Niedersachsen), Dr. Britta Habbe (Landesjägerschaft Niedersachsen e.V.), Dr. Reinhard Löhmer (BUND Landesverb. Nds.) und Jochen Studtmann (Pferdehalter und Tourismus-Unternehmer).
Sehen Sie den interessanten Beitrag in der NDR-Mediathek …
www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/Wie-koennen-wir-mit-dem-Wolf-leben,wolfstalk100.html
Europäischer Grauwolf (Canis lupus – im Wolfcenter Dörverden)